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Der Ausnahmejournalist Ernst Cramer

Ernst Cramer wurde in Augsburg geboren , wo sein Vater Kaufmann, den schönen Künsten zugetan und zusammen mit Bert Brecht die "Literarische Gesellschaft" gründete, die bis 1933 zahlreiche Vortragsveranstaltungen namhafter deutscher und ausländischer Schriftsteller organisierte. Im Bewusstsein, dass er das nationalsozialistische Deutschland verlassen müsse, begann Ernst Cramer im jüdischen Auswanderlehrgut Groß-Breesen in Schlesien ein Volontariat und war schon in Buchenwald inhaftiert, als er wie ein Wunder doch noch nach Amerika auswandern durfte. Seine Eltern und seinen jüngeren Bruder, die in Deutschland blieben, hat er nie wieder gesehen.
Anlässlich seines 95. Geburtstages, erinnerte der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD Wolfgang Huber an den Lebensweg Cramers "Auch nach 1945 habe er kein abweisendes Urteil über Deutschland gesprochen". Cramer gebühre Respekt für seinen Beitrag zu einer liberalen und demokratischen Bildung der Menschen im Nachkriegsdeutschland. Als Journalist, Chefredakteur und Herausgeber der Tageszeitung "Die Welt" habe Cramer immer wieder auf Gefahren der "Gesinnungslumperei" hingewiesen", so der Bischof.
Am Anfang dieses Jahres ist eine lesenswerte Sammlungen von Texten Ernst Cramers und Betrachtungen zweier Weltredakteure zu dem Lebensweg des ehemaligen Herausgeber der "Welt" und "Welt am Sonntag" erschienen.
Viele brillant profilierte Menschen der Zeitgeschichte begegnen uns in dem Buch über Ernst Cramer. "Ich gehöre hierhin" und wir hören sie über ihre Probleme sprechen. Auch bekommen wir auch sehr viele neue Erkenntnisse über den Aufbau Deutschlands nach 1945. Ernst Cramer, wie auch Hans Habe, mit dem sich Cramer anfreundete, waren Chefredakteure der "Neuen Zeitung" in München, die ein Flaggschiff der Demokratie nach dem Krieg war. Ernst Cramer war von der amerikanischen Militärregierung beauftragt worden eine demokratische Presse aufzubauen. Als Mitglied der US Behörden in Deutschland wandte er sich gegen die Kollektivschuldthese.
Die beiden Autoren Lars Broder Keil und Sven Felix Kellerhoff haben ein Buch herausgegeben, in dem der verstorbene Weltbürger und Journalist Ernst Cramer durch seine Aufzeichnungen, Artikel und Interviews zu Wort kommt. Zudem haben die Herausgeber auf eine differenzierte Sicht und respektvolle Sprache Wert gelegt. Eine Fülle von Fakten und Geschehnissen werden vor dem Leser ausgebreitet und die zahllosen persönliche Eindrücke fügen sich zu einem individuellen Bild wie spannendem Zeitbuch zusammen.
Im Interview mit Mathias Döpfner sagte er, dass sein glücklichster Tag der 19. November 1989 in Deutschland war. Cramer: "Es war ein deutsches Erlebnis, das ich selbst nicht mit geschaffen habe... dem ich vollen Herzens zugestrebt bin. Es ist das in meinen Gedächtnis prominenteste Erinnerungsereignis in Deutschland. Der Fall der Mauer. Menschen, die über die Mauer gestiegen sind. Ich muss zugeben, mit Tränen in den Augen stand ich dabei."
Was könnte mehr im Gegensatz stehen zu den Aussagen der vielen Simplificateurs, die nicht von der Menschenliebe beseelt sind, als dies Bekenntnis eines großen Menschenfreundes, der den Glauben an das Gute nie aufgegeben hat.

Lars-Broder Keil, Sven Felix Kellerhoff: "Ich gehöre hierhin"
Remigration und Reeducation: Wie der Publizist Ernst Cramer für die Demokratisierung Deutschlands stritt
Band 3 der Reihe "Münchner Beiträge zur Migrationsgeschichte"
Allitera Verlag, München 2020 19,90 € ISBN 9783962332105
Eckhard Krause ist Laimer Diplom-Bibliothekar im Ruhestand und Laimer Bücherwurm. Geboren in Sachsen und aufgewachsen in Ostfriesland kam er in Zeiten des kalten Krieges nach Westdeutschland und lebt nunmehr seit fast 50 Jahren in Laim. Aufmerksam beobachtet er Entwicklungen und Strömungen in Gesellschaft und Literatur.
Eingetragen am 13.10.2020
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